Die Anlage Stöhr I im Jakobsberg

 

Im oberen Stollensystem sollte, wie auch im unteren System, ein Presswerk der Ambi-Budd aus Berlin untergebracht werden. Nachdem die Pressen bereits montiert waren, erging jedoch die Weisung, die installierten Maschinen wieder zu demontieren, da den neuen Anweisungen zufolge nun eine Fabrikationseinrichtung für Elektronenröhren der Philips-Werke untergebracht werden sollte. Da die bisherigen elektrischen und baulichen Gegebenheiten nicht erfüllt waren um diese Fabrik betreiben zu können, mußten umfangreiche bauliche Veränderungen, sowie zusätzliche Pressluft- und Gasversorgungen sichergestellt werden.

Vor allem, da die Produktion das Vorhandensein von Wasserstoff, Stickstoff und Vakuumpumpen erforderte. Aus Platzgründen wurde die erforderliche Heizung in Form eines, vorerst provisorischen, Kesselhauses vor der Einfahrt des unteren Stollensystems eingerichtet.Die Gasversorgung erfolgte durch das öffentliche Gasverteilernetz der Ruhrgas A.G. Zur Sicherstellung der Wasserversorgung sah man ein Wasserwerk an der Weser vor, die Entwässerung sollte durch Rohrleitungen der Weser zugeleitet werden. Diese Rohrleitung verlief zusammen mit den anderen erforderlichen Leitungen durch einen dafür vorgesehenen Versorgungsschacht. Alle erforderlichen Umbau- und Zusatz- arbeiten nahmen die Zeit bis Januar 1945 in Anspruch.

 
Foto : Der Hauptzugang zur Anlage Stöhr I
 

Zusätzlich zu den Philips-Werken wurde in dieser Anlage noch eine weitere Produktionsfirma untergebracht, die Ihre Produktion bereits Ende August 1944 aufgenommen hatte. Die Firma Rentrup aus Stadthagen fertigte Spulen aus isoliertem Stahldraht. Die Verwendung dieser Spulen ist bisher nicht bekannt.

Die Energieversorgung der Anlage erfolgete wie im unteren Stollensystem durch eine 25 kV Hochspannungsleitung, jedoch banden sich die zugehörigen Transformatoren im unteren Stollensystem. Hie auf 220 bzw. 380 V herabtransformierte Spannung wurde dann durch eine Entsprechende Leitung in das obere Stollensystem geleitet.

Die Produktion der Philips-Werke wurde auf mehrere Etagen verteilt. Durch das Einziehen entsprechender Zwischendecken wurden insgesamt zehn Etagen geschaffen, von denen die oberen zwei wahrscheinlich zur Unterbringung eines Lüftungssystems dienten.
 
Fotos : Oben - Treppenhaus zwischen den Etagen / Unten : Bestückte Maschinenhalle

Die erste Etage der Anlage beherbergte das Maschinenhaus und die notwendigen Werkstätten zur Instandhaltung und zum Betrieb der Anlage.Hier waren die Kompressoren für Pressluftanlage, sowie die Tanks und Kompressoren für die benötigten Gase, wie z.B. Wasserstoff und Stickstoff untergebracht. Außerdem standen hier die für den Produktionsbetrieb notwendigen Vakuum-Pumpen. Die erste Etage umfasste eine Fläche von 1.003 Quadratmetern.

   

In der zweiten Etage waren die Fertigungsabteilung für die Unterteile und die Produktion der Elektronengitter untergebracht.Hier wurden neben den Elektronengittern die Röhrensockel gefertigt, mit denen die Röhren später in die entsprechenden Geräte eingesteckt oder eingelötet werden konnten.Die zweite Etage umfasste eine Fläche von 1.109 Quadratmetern.

 

Auf der dritten Abteilung befanden sich die Fertigung der Glaselemente, sowie die Abteilung für die Materialprüfung. Hier wurden die einzelnen, produzierten Komponenten der Elektronenröhren überprüft. Außerdem wurden hier die Glaskuppeln für die Röhren hergestellt. Die dritte Etage umfasste eine Fläche von 1.507 Quadratmetern.

 

   

Auf dieser Etage befand sich die Einrichtung für die Endmontage der Röhren. Die einzelnen Komponenten wurden hier zu den fertigen Elektronenröhren zusammengesetzt.

Die vierte Etage umfasste eine Fläche von 925 Quadratmetern.

 

Die fünfte Etage diente ebenfalls für die Endmontage. Wahrscheinlich wurden die Röhren auf den zwei entsprechenden Etagen in zwei Stufen endmontiert.

Die fünfte Etage umfasste eine Fläche von 1.473 Quadratmetern.

 

   

In der sechsten Etage befand sich die Abteilung für die Endprüfung der produzierten Röhren. Hier wurde die Produktionsqualität überwacht und eventuelle Mängel weitergeleitet.

Die sechste Etage umfasste eine Fläche von 1.119 Quadratmetern.

 

Die siebte Etage beherbergte die Versandabteilung. Hier wurden die produzierten Röhren verpackt und an die betreffenden Versandwege wie z.B. Bahn oder LKW weitergeleitet. Neben der Versandabteilung war auf dieser Etage auch das Labor der Anlage untergebracht. Seine Aufgabe war es unter anderem, neue Produkte zu entwickeln und vorhandene Mängel zu beseitigen. Die siebte Etage umfasste eine Fläche von 1.079 Quadratmetern.

   

In der achten Etage befand sich eine weitere Abteilung zur Komponentenfertigung. Hier wurden die Kathodenelemente für die Röhren produziert.

Die achte Etage umfasste eine Fläche von 100 Quadratmetern.

 

Nach Ende des Krieges wurde auch diese Anlage von den Alliierten eingenommen und gründlich untersucht. Anschließend erfolge die Demontage der Produktionsmaschinen. Später wurde dann die gesamte Anlage mit Sprengstoff versehen und im Inneren sämtliche Zwischendecken und Tunnel zum Einsturz gebracht.Zu diesem Zeitpunkt war die Anlage durch den Haupteingang noch eine Zeit lang zugänglich. In den 70ern versuchte man kurzfristig eine kommerzielle Nutzung der Anlage zu realisieren.

Zu diesem Zweck richtete man für einige Jahre eine Champignonfarm innerhalb der noch zugänglichen Bereiche ein, die aber später wieder entfernt wurde. Wahrscheinlich geschah dies unter anderem aus Sicherheitsgründen.Die vorhandenen Lüftungsschächte wurden dann mit Beton vergossen. Beim Hauptzugang, wurde erst der eigentliche Zugang zur Anlage gesprengt, anschließend die den Eingang umgebenden Betonbauten. Dies geschah bereits in den frühen 80ern. Die gesamte Anlage wurde auf diese Weise hermetisch verschlossen, so dass in heutiger Zeit keine Zugangsmöglichkeit mehr besteht und nur noch einige große Betonbrocken an die ehemalige Anlage erinnern.

 
Foto : Nur noch die Schneise im Wald lässt eine ehemalige Zufahrt vermuten.