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Augenzeugen - Der unterirdische Krieg an der Porta Westfalica

Der unterirdische Krieg an der Porta Westfalica
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Folgender Bericht erreichte mich Februar 2009 nach dem Erscheinen der überarbeiteten Neuauflage von “Der unterirdische Krieg” von H.J.Ludwig aus Köln:

Eines hat das Buch „Der unterirdische Krieg an der Porta Westfalica“ mit fast allen Büchern über dieses oder ähnliche Themen gemeinsam: Es werden meines Erachten zu viele  geheimnisvolle Schlussfolgerungen gezogen. Da wird vom Bau neuartiger V-Waffen gesprochen, von supergeheimen Forschungslabors, von Untertunnelungen der Weser  und des Rheines usw.

Dies alles scheint mir doch in Erinnerung an die damalige Zeit ein wenig zu  phantastisch. Solche Schlussfolgerungen liegen natürlich nahe, kann man doch heute vieles nicht mehr erklären. Und wenn viele Leute so etwas erzählen wird es weiter kolportiert, geändert und zurecht gemacht, bis es abenteuerliche Formen annimmt. Auch das Gedächtnis der noch wenigen Zeitzeugen lässt nach.

Von  Ausnahmen abgesehen  (Z.B. in Zossen, das war aber die Wehrmacht) erfolgte die Verlagerung der Schlüsselindustrie unter die Erde ab 1943, also 2 Jahre vor Kriegsende (Speer, Erinnerungen). Dass  dabei vorwiegend  schon vorhandene Anlagen oder Höhlen ausgesucht wurden ist verständlich, war allerdings nicht immer möglich.

Die in einigen Jahrhunderten kontinuierlich gewachsenen Bergbauanlagen im Wiehen- und Wesergebirge boten sich an, wurden unter Zeitdruck ausgebaut und kamen vielfach bis Kriegsende nicht mehr oder nur geringfügig zum Produzieren. Aber auch wenn einzelne Werke noch produziert haben,  (Stör) kamen die Erzeugnisse dieser Fabriken wegen der gestörten Transportwege kaum noch zum Einsatz. Beispiel: Bei Kriegsende fand man einige hundert Düsenjäger He 162 - Volksjäger genannt und Me. 262 in den Bayerischen Wäldern herumstehen, die nicht zum Einsatz gebracht werden konnten. Es kam auch vor, dass Produkte fast fertig liegenblieben, weil ein benötigtes Teil nicht beschafft werden konnte.

Dass unterirdische Verbindungen unter der Weser bestanden haben sollen, kann ich nicht glauben. Besonders ein Fußgängertunnel zur Vermeidung der Brückenmaut (so nennt man das wohl heute)  erscheint mir unwahrscheinlich. Da hätten  ja die Baukosten ein Vielfaches der Einnahmen aus dem Brückenzoll betragen. Und wer sollte so etwas denn finanzieren? Auch eine Eisenbahnverbindung kann ich mir nicht vorstellen, da ja die Bauzeit doch wohl einige Jahre gedauert hätte. Wo soll den wohl der Ein und Ausgang im Berg gewesen sein?

Das hätte doch einige Installationen zum Be- und Entladen erforderlich gemacht, auch wenn es nur eine Kleinbahn gewesen wäre. Hat man da etwas gefunden? Auch glaube ich nicht, dass vor dem Kriege eine Notwendigkeit für eine doch sehr teure Untertunnelung der Weser bestanden hat. Allerdings geht wohl das Hauptnetz der Bahn auf der Hausberger Seite, doch dann wäre damals eine Brücke billiger gekommen und eine unterirdische Verbindung hätte sich erübrigt, da ja damals kein Zwang zur Geheimhaltung bestand.

Dass beim Anlegen der unteririschen Anlagen oft Stollen alter Anlagen  angeschnitten wurden, ist zu verstehen, da  es sicherlich auch alte Anlagen gab, über die man keine Unterlagen mehr finden konnte.  Wenn man überhaupt danach gesucht hat.

Eine  immer wieder anzutreffende Behauptung in Büchern über solche Themen ist die Meinung, hier wurden geheimnisvolle "V-Waffen "entwickelt. Zunächst sollte mal der Begriff "V-Waffen" erklärt werden. Es handelt sich hierbei um eine Wortschöpfung aus dem Propagandaministerium von Göbbels. Dieser Begriff galt für 2 "Vergeltungs"-Waffen und bezog sich nur auf die Flugbombe Fi 156, entwickelt von den Fieseler Flugzeugwerken in Kassel und die Großrakete A4 -"V2", die unter der Leitung von Werner von Braun in Peenemünde (Usedom) entwickelt wurde. Die V1 hatte als Antrieb ein sogenanntes Argus-Schmidt-Rohr, also ein intermittierendes Triebwerk, welches zum Betrieb Luft =Sauerstoff brauchte, war also keine Rakete.  Die „Nutzlast“  beider Waffen betrug ca. 800 Kg, die Reichweite  etwa 300 km. Die V2 hingegen war  eine Flüssigkeitsrakete. Als Antrieb diente flüssiger Sauerstoff und Alkohol. Beide Waffen sind dann in den unterirdischen Werken bei Nordhausen in großer Stückzahl gebaut worden, nachdem die Fertigung in Peenemünde wegen der  Luftangriffe und dem Näherkommen der Front nicht wehr möglich war. In Peenemünde und am Kohnstein bei Nordhausen kann man Teile der ehemaligen Anlagen besichtigen. Weitere  Waffen mit der V-Bezeichnung gab es nicht.  Aber die Forschung ging natürlich auch im Kriege weiter. Zwischen Entwicklung und Einsatzreife liegt ein langer Weg. Hinzu kam, dass man den Bau der "V2" nicht einfach von einem Ort zum anderen verlagern konnte, da man auch Anlagen zur Erzeugung von flüssigem Sauerstoff  und  Alkohol brauchte. Die Teilefertigung war freilich schon breit gestreut. Um aber die V2 abschießen zu können, waren  vorbereitete Stellungen nötig, die dann wieder von den Alliierten angegriffen und zerstört wurden, z.B. an der französischen Kanalküste. Damals gab es einen Witz: Was ist die V3? Ein großer Radiergummi, damit wird England ausradiert!

Dass sich die damalige Führung so spät entschloss die wichtigsten Werke unter die Erde zu verlagern, hatte wohl auch  mit dem Glauben an die Überlegenheit der deutschen Luftwaffe zutun. Das gilt meines Erachtens auch für den Bau von Luftschutzbunkern. Göring wollte Meier heißen, wenn je ein feindliches Flugzeug über Deutschland erschiene. Die Verlagerung der Rüstungsindustrie unter die Erde wurde durch den damaligen Rüstungsminister Speer veranlasst, später jedoch durch den SS-Führer Kammler  vorangetrieben.

Es sind Teile der Anlagen durch eigene Leute  noch vor Eintreffen der Amerikaner gesprengt worden. Das hat sicherlich nur in den wenigsten Fällen mit damit zutun, dass man geheime Dinge beseitigen wollte. Es erscheint mir wahrscheinlicher, dass man wohl mehr nach dem Motto handelte “Wenn ich schon nichts mehr davon habe, soll der andere auch nichts davon haben“.  Richtig scheint aber auch zu sein, dass gegen Ende des Krieges eine Menge Akten, die den einen oder anderen später belasten könnten, in Stollen eingelagert wurden  und durch Sprengen der Stollen nicht mehr auffindbar sind. Solche Akten von der Partei, also der NSDAP, habe ich in Minden gesehen  und die waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die lagerten aber nicht in einem Stollen, sondern sollten als „Altpapier“ entsorgt werden. Außerdem gab es noch einen „Führerbefehl“ zur Zerstörung der Infrastruktur in Deutschland, der aber in fast allen Fällen nicht mehr befolgt wurde.

Die Sprengungen durch die Besatzungsmächte gehen auf Beschlüsse des alliierten Kontrollrates zurück wonach eben alles was der Rüstung diente, unbrauchbar zu machen sei. Immerhin gab es ja auch ernsthafte Überlegungen, Deutschland in ein reines Agrarland zu verwandeln, das war der sogenannte Morgenthau Plan. Hinzu kommt die oft noch vorhandene Angst vor ev. tätigen  Geheimorganisationen, z.B. den Wehrwolf, auch eine Propagandaerfindung oder vor  SS-Organisationen. Natürlich hat man auch geglaubt  wertvolle Dinge zu finden, was ja  unter Anderem auch in einem Schacht bei Merkers geschah. Dort lagerten die restlichen Gold und Geldbestände, Kunst und auch Raubkunst des Reiches. Selbst der damalige amerikanische Befehlshaber und spätere Präsident der USA, Eisenhauer, hat sich das angeschaut. Heute ist das Bergwerk zu einem Erlebnisbergwerk umgebaut. Eine Besichtigung lohnt sich.

Was nun die Forschung im Dritten Reich anbelangt, so kann man von den abenteuerlichsten Projekten hören. Da wird von geheimnisvollen Magnetstrahlen gemunkelt, welche die Zündung von Flugmotoren aussetzen ließe und von Magnetantrieben für Flugzeuge. Ich habe mal einige befreundete Physiker danach gefragt. Die Antwort kann man sich denken. In anderen Büchern wird gar die Schwerkraft aufgehoben und kleine Atombomben gebaut. Diese allerdings lässt man dann unter Leitung der SS in geheimen Labors bei den Skodawerken in der Tschechei entwickeln. Immer wenn es besonders geheimnisvoll wird, muss die SS ran. Der traut man rückwirkend wohl besonders viel zu, selbst in der Wissenschaft.

Ich bedanke mich nochmals bei H.J.Ludwig aus Köln  für diesen Augenzeugenbericht.
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